Interview Stefan Brennsteiner - Saisonrecap 2021
Nach einer bewegenden Saison, die durchwachsen begonnen und mit den besten Ergebnissen und dem ersten Podestplatz seiner Karriere geendet hatte, spricht Stefan mit uns über seine Sicht auf die Saison und was diesen Winter für ihn besonders gemacht hat.
„Einmal tief durchatmen und die Anspannung nach dieser turbulenten Saison fallen lassen.“ Diesen Rat befolgt auch Weltcup-Skiathlet Stefan Brennsteiner am Ende des Winters. Mit zufriedenem Lächeln und einer Ausgeglichenheit sitzt der Sportler hier bei Bründl Sports in Kaprun und spricht mit uns über die vergangene Rennsaison. Neben seinen sportlichen Höhen und Tiefen gewährt er uns auch Einblicke in sein Inneres und erzählt über Emotionen und Gefühlszustände. Was war das Geheimnis seines Durchbruchs? Wir lassen gemeinsam Stefans Saison Revue passieren.
Lieber Stefan, eine sehr erfolgreiche Saison ist zu Ende. Wie fühlst du dich?
„Frei“ – Nach diesen positiven Ereignissen, ist das, das beste Wort für meine aktuelle Gefühlslage. Die Spannung lässt nun nach, nichtsdestotrotz zeigt sich jetzt die Müdigkeit umso mehr. Ein bisschen muss ich aber noch durchhalten, bis ich endgültig in den Frühling und die ruhigere Zeit starten kann.
Mit welchem Gefühl und Ziel bist du in Sölden in die Saison gestartet?
Konstante Leistungen, ohne Extreme waren der Plan für die ersten Rennen, um gesichert unter die Top 30 zu gelangen. In Sölden ging diese Strategie mit Platz 17 noch auf, da war ich im Großen und Ganzen sehr zufrieden – es war ja wieder einmal ein Comeback Rennen nach meiner Knorpelverletzung. Jedoch klappte diese Strategie, eine konstante Leistung zu erzielen, beim nächsten Rennen gar nicht mehr. Meine Stärke aus der Vergangenheit, im Flachen schnell zu sein, war sowohl in Sölden als auch Santa Caterina nicht gegeben. „Fuchsteufelswild“ beschreibt meine Gefühlslage nach den ersten drei Rennen am besten. Einfach nur konstante Läufe zu fahren, ist bei dieser starken Konkurrenz viel zu wenig – da muss man Rennfahren.
Bis Bansko war es dann eine wahre Achterbahnfahrt – In Santa Caterina zwei Mal nicht für den zweiten Durchgang qualifiziert, dann ein achter Platz in Alta Badia und danach zwei verpatzte Rennen in Adelboden. Wie hast du diese Monate erlebet?
Nachdem ich in Santa Caterina über die Ziellinie gefahren bin, war mein erster Gedanke: „So will ich nie mehr Skifahren!“ Die 100% waren eben nicht vorhanden und reine mentale Stärke reicht für das Skifahren nicht aus. Anstatt mit gezogener Handbremse will ich mit einer positiven Einstellung und Spaß am Sport zeigen was in mir steckt. Bis Alta Badia wurde dann schließlich viel am Material gearbeitet, damit die Steilhänge, sowie die flachen Passagen reibungslos funktionieren. Der Plan konstant zu bleiben bei gleichzeitigem richtigen Rennfahren zog sich fortan stets durch. Der erste große Erfolg gelang mir dann mit Platz 8 in Alta Badia. Das gesamte Team freute sich mit mir und ich konnte endlich mein Potential zeigen und wieder Zuversicht erlangen. „Wir sind wieder am richtigen Weg und auf Kurs“, meine abschließenden Worte in Alta Badia. In Adelboden kam dann leider wieder eine Kehrtwende. „Nein… Nein… Nein… Schon nach den ersten zwei Schwüngen wurde mir bewusst, irgendetwas passt und funktioniert nicht so wie ich will.“ Die Abstimmung mit dem Material war einfach nicht gut genug und diesbezügliche Fehler wurden mir dann zum Verhängnis. Rückblickend also eine Zeit voller Höhen und Tiefen!
Dann kam Cortina- du hattest einen super Start im ersten Durchgang und mit Platz sieben eine tolle Ausgangsposition – dann im zweiten Durchgang leider der Ausfall. Was hast du nach diesem Rennen verändert? Oder inwiefern hat dich dieses Rennen beeinflusst, dass in Bansko dann der große Durchbruch gelungen ist?
Einen klaren Zusammenhang kann ich nicht wirklich nennen. Mitunter ein großer Fehler in Cortina war wahrscheinlich der Materialwechsel zwischen dem ersten und zweiten Durchgang, wo ich einfach zu viel adaptiert habe. Allerdings wollte ich der WM nicht allzu viel nachtrauern und blickte daher mit Zuversicht und neuer Energie zum nächsten Rennen in Bansko. Meine mentale Stärke in der Gegenwart zu leben und mich nicht mit bereits Geschehenem zu viel auseinanderzusetzen, kam mir da wieder Mal zugute. Jedes Rennen ist ein neuer Start!
Nun zu Bansko – beschreibe doch bitte dieses erste Rennen? Warum denkst du hat es gerade dort plötzlich geklappt? Was war anders?
Nach dem ersten Schwung kam sofort der Gedanke: „Heute passt’s!“ „Durchbruch“ ist definitiv das richtige Wort für diesen Tag und dieses Rennen! Bei den Rennen zuvor war die 100%ige Sicherheit noch nicht gegeben und die Anspannung war größer als die Freude und das Können, was sich schließlich in Bansko schlagartig änderte. „Ich bin Realist (und Optimist natürlich auch)!“ Der reine Glaube ganz nach vorne zu kommen reicht für mich nicht. Ich brauche es schwarz auf weiß und zum Glück kam in Bansko die Bestätigung. Man muss sich den Triumph hart erarbeiten, denn von nichts kommt nichts und das zieht oft an meinem Geduldsfaden. Wie man sieht, zahlt es sich dennoch aus, geduldig zu bleiben, immer wieder aufzustehen und weiterzukämpfen.
Welche Gefühle und Gedanken hattest du, als du das erste Mal am Stockerl stehen konntest?
„Es war schon sehr surreal, aber unglaublich schön!“ Trainer, Athleten und gefühlt alle im Skizirkus Beteiligten freuten sich mit mir. Viele wunderschöne Emotionen und Glücksgefühle durchströmten meinen ganzen Körper! Anfangs wusste ich noch nicht wirklich, wo ich bei der Siegerehrung hingehen soll und was jetzt passieren wird, aber dann ging es schneller als ich dachte und ich stand schon am Podest. Ich schätzte es unglaublich, wieviel positive Rückmeldungen ich bekam und wie groß die Mitfreude meiner Fans, Trainer, Betreuer, … war. Ich war froh, endlich all jenen etwas zurückgeben zu können, die seit Jahren mit mir mitfiebern und mich immer unterstützt haben. Klar, Zuschauer und Fans haben etwas gefehlt, aber es war auch so ein Erlebnis für sich!
Ich nehme an, nach diesem dritten Platz haben dich zahlreiche Gratulationen erreicht – gibt es Glückwünsche über die du dich besonders gefreut hast oder vielleicht sogar gewundert hast?
„Endlich, Jetzt hast du’s, finally…!“ Diese Anerkennung von so vielen ehemaligen, sowie noch aktiven Sportlern aus den verschiedensten Nationen berührten mich persönlich ganz besonders. Die große Freude am Sport und der Zusammenhalt dieser Community beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Auch der Konkurrenzgedanke war in diesem Moment definitiv nicht zu spüren und trat in den Hintergrund. Mein dritter Platz war Gott sei Dank keine Eintagsfliege, ich konnte meine Leistung in den weiteren Rennen bestätigen. Platz fünf beim zweiten Rennen in Bansko, nochmal ein dritter Platz in Kranjska Gora und ein vierter Platz beim Weltcup Finale in der Lenzerheide. Ich durfte dieses schöne Gefühl heuer mehrmals erleben und bin stolz auf mich selbst, sowie auf mein Team, das mir Beistand und jegliche Unterstützung in guten sowie schwierigen Zeiten gewährt.
Was war heuer für dich persönlich das anspruchsvollste Rennen dieser Saison und inwiefern warst du gefordert?
Durch die wechselhaften Pistenverhältnisse und den schwierigen Hang, war die herausforderndste Strecke sicherlich die WM in Cortina. Alta Badia und Bansko forderten einiges an mentaler Stärke, da die Anspannung nach mehreren Niederlagen in den Rennen davor sehr groß war. Aber ohne Herausforderungen wächst man ja bekanntlich auch nicht.
Hattest du bereits Zeit die tolle Saison und deine Stockerplätze zu feiern, wenn ja wie?
Natürlich lässt die aktuelle Situation keine großen Feiern zu, wenn es aber gerade gepasst hat, haben wir spontan schon mal angestoßen. Planen tu ich sowieso meistens nicht viel – Spontanität ist bei mir immer wieder gefragt – so auch beim Feiern. Zwischen den Rennen bleibt sowieso nicht viel Zeit für Feierlichkeiten, da die Leistung ja bis zum Schluss passen muss. Die Tage nach dem letzten Rennen habe ich dann aber schon sehr genossen, gemeinsam mit Familie, Freundin und es war schön Zeit für mich zu haben, Zeit zum Skitourengehen.
Lass uns auch noch generell auf dein Sportler Dasein blicken. Du bist das Paradebeispiel für ein „Stehaufmännchen“, nach zahlreichen Verletzungen und Rückschlägen hast du dich immer wieder zurückgekämpft? Du warst bei Olympia auf Bronzekurs – dann der erneute Kreuzbandriss. Was hat dich immer wieder angetrieben? Hast du deine Taktik, dein körperliches oder mentales Training verändert?
Die Leidenschaft für den Skisport ist auf jeden Fall ein großer Antrieb für mich. Auch das Gefühl noch nicht alles gezeigt zu haben, gab mir immer wieder den nötigen Biss weiterzukämpfen. Für mich ist eine Verletzung eine Art Set-Back. Meine mentale Stärke kommt mir da sicher zugute, da ich versuche im Moment zu leben und keinen verpassten Chancen nachzutrauern oder mich mit vergangenen Situationen zu vergleichen. Man muss den gegenwärtigen Zustand akzeptieren, versuchen vorauszublicken und das Beste daraus zu machen. Kleine Erfolge schätzen lernen und auf Kurs bleiben! Auch zu erkennen, dass jede Verletzung unterschiedlich ist und nicht vergleichbar mit alten bzw. anderen Heilungsverläufen, musste ich mir immer wieder vorsagen. Ich bin schließlich nicht der geduldigste Mensch.
Was sind deine größten Stärken, die dich heute dorthin gebracht haben, wo du jetzt stehst und wofür bist du diesbezüglich dankbar?
Die erste große Stärke ist es, die Kurzlebigkeit zu verstehen. Wie vorhin bereits erwähnt, einfach im Hier und Jetzt zu leben und sich nicht zu stark von bereits Geschehenem, sei es positiv oder negativ, beeinflussen zu lassen. Eben nicht Himmelhoch jauchzend und dann wieder zu Tode betrübt, sondern ausgeglichen zu sein. Zweitens, Probleme können überall auftreten aber davon lasse ich mich nicht zu viel beeinflussen und lenken. „Jeder ist seines Glückes Schmied“, heißt es doch so schön. Drittens und wohl meine größte Stärke, ist das Verständnis für den Körper. Meine Verletzungen hatten daher nicht nur negative Seiten, denn das intensive Auseinandersetzten mit sich selbst und seinen körperlichen Baustellen sorgt für ein gutes Gespür.
Seit fünf Jahren ist Bründl Sports als Kopfsponsor an deiner Seite. Was verbindest du mit Bründl Sports und welche Bedeutung hat diese Kooperation für dich?
Bründl Sports hat eine sehr große Bedeutung für mich und ist eindeutig mehr als nur eine finazielle Förderung. Das komplette Paket stimmt einfach! Das familiäre Gefühl und die Leidenschaft für den Sport, die wir gemeinsam teilen, spürt man stark. Der persönliche Zugang, sei es von Christoph Bründl der mir nach jedem Rennen eine motivierende Nachricht sendet, oder dem Rest des Teams, ist wirklich sehr wertvoll. Das sind alles Menschen, mit denen man sich gut versteht und mit denen es Spaß macht zusammenzuarbeiten. „Create Emotions“, heißt es ja bei Bründl Sports und das beschreibt auch meine Laufbahn exakt. Fünf Jahre voller Emotionen, Höhen und Tiefen, Siege und Niederlagen! Die Verbindung ist also in allen Bereichen zu erkennen.
Nach der Saison ist nur wenige Monate vor dem Start der nächsten Saison. Wie geht es nun weiter in der nächsten Zeit? Was steht bei dir am Programm? Wie verläuft dein Training in der Zwischensaison?
Mein Training verläuft sehr ähnlich wie in den letzten Jahren. Neben kleinen Wehwehchen gibt es heuer zum Glück keine gröberen Verletzungen die ausgeglichen oder gestärkt werden müssen. Daher habe ich bei meinem Training keinen großen Schwerpunkt, außer körperlich fit und trainiert zu bleiben. Jetzt steht noch ein bis zwei Wochen intensives Skifahren am Plan und dann startet Ende April das Konditionstraining. Das Stärken meiner Ausdauer zu Beginn der Sommersaison und dann der Übergang zum Krafttraining sind das Ziel. Um die körperlichen Voraussetzungen für den Sport halten zu können, habe ich in Begleitung von meinem Trainer wöchentlich einen angepassten Plan. Im August startet dann schon wieder das Skitraining und die dazugehörigen Vorbereitungen auf die Saison. Auch zwischen Sölden und dem darauffolgenden Rennen ist nochmal ein sehr essenzieller Trainingsblock. „Aber jetzt heißt es erst Mal runter vom Gas und tief durchatmen!“