Über Bewegung und Begegnungen - Felix Gottwald im Austausch mit Christoph Bründl
Christoph Bründl (Geschäftsführer von Bründl Sports) und Felix Gottwald (erfolgreichster österreichischer Olympiasportler, Gesundheitswissenschaftler und Unternehmer) tauschten sich im TAUERN SPA Kaprun über bewegende Themen aus.
Im folgenden Interview wird auf die Wichtigkeit der körperlichen und mentalen Fitness hingewiesen, um ein gesundes und vitales Leben zu führen – unabhängig vom Alter!
Jeder weiß, dass Bewegung essenziell ist. Aber was passiert im Körper durch Bewegung und was ist der Nutzen?
Wir Menschen wollen schnelle Ergebnisse und vergessen dabei gerne die Wichtigkeit des Prozesses zu unseren Zielen. Gewicht verlieren, Bauch reduzieren, Kraft und Ausdauer trainieren – all das braucht Kontinuität. Und Kontinuität braucht vor allem ein Warum, das groß genug ist, und die Einfachheit, überhaupt ins Tun zu kommen.
Warum ist Bewegung für uns Menschen so wichtig? Einfach erklärt: Wasser, das in Bewegung ist, wird nicht faul. Der Mensch besteht zu 60 bis 75 Prozent aus Wasser. Uns für die Lebendigkeit und gegen das Verderben zu entscheiden heißt, in Bewegung zu bleiben. Bewegung ist Leben.
Während der Pandemie litten viele Menschen unter massivem Bewegungsmangel, da die Couch und das Smartphone wesentlich verlockender sind, als aufzustehen und die Sportschuhe festzuschnüren. Als dann die Schmerzgrenze erreicht war, die Häuser aufgeräumt und die Kästen aussortiert waren, haben sich viele für die Natur als neuen Fitnessraum und Meditationsort entschieden. Was möchtest du Menschen mitgeben und in welcher Haltung sollen Bewegungen ausgeführt werden?
Diese eine Haltung gibt es wohl nicht. Jeder darf für sich und immer wieder aufs Neue entscheiden, warum er jetzt wieder rausgehen und sich bewegen möchte. Was uns eint: Ganz selten geht es uns nach Bewegung und Sport schlechter.
Das liegt aus chemischer Sicht auch an dem „Tanz der Botenstoffe“, wie es Dr. Hans Gasperl so treffend formuliert. Dabei wird das Stresshormon Cortisol abgebaut und die Produktion des Wohlfühlhormons Serotonin gefördert. Das zu wissen ist das eine. Es immer wieder am eigenen Leib zu erleben ist jedoch etwas völlig anderes. Während wir Österreicher stundenlang mit unserem inneren Schweinehund diskutieren, laden sich beispielsweise in Norwegen die Menschen mit ihrem kulturellen Begriff „dørstokkmila“ selbst ein, wieder den alles entscheidenden ersten Schritt über die scheinbar unüberwindbare Türschwelle zu machen.
In deren Verständnis ist die Türschwelle (dørstokk) der zu meisternde und damit schwierigste Abschnitt bei einem Zehnkilometerlauf (mila). Wenn wir diese Schwelle meistern, ist der Rest ein Klacks.
Wenn wir uns bewegen, entsteht immer auch Begegnung – Begegnung mit dem eigenen Körper und den eigenen Gefühlen. Dass unser Geist dadurch klarer und ruhiger wird, können wir erst gar nicht verhindern. Offline mit der Welt und online mit sich selbst zu sein ist nur eine der positiven Nebenwirkungen von Bewegung und Sport.
Das klingt definitiv nach einem schönen Ansatz! Aber was, denkst du, ist ein stimmiges Ausmaß an körperlicher Bewegung, wonach kann man sich ungefähr richten? 10.000 Schritte pro Tag?
Das ist schwierig zu verallgemeinern. Was wir wieder brauchen, ist ein gesunder Bezug zum eigenen Körper. Diesen als wichtigste Feedbackinstanz in uns zu etablieren, sollte als Hauptfach in jeder Schule unterrichtet werden. Viel zu viele Kinder wachsen heute in einem Umfeld auf, in dem Bewegung und Sport gar nicht mehr vorkommen. Toni Innauer mahnt unentwegt, Bewegung heute so zu lehren wie Rechnen, Lesen und Schreiben.
Niemand außer wir selbst wissen, welches Ausmaß uns unter welchen Voraussetzungen guttut. Ich halte auch die Vorgabe der WHO mit 150 Minuten pro Woche für zu wenig.
Ich lebe meine tägliche Stunde Bewegung – in welcher Form auch immer. Wenn diese wegfällt, fehlt mir etwas. Wenn mein Körper mir rückmeldet, dass er Pause braucht, bekommt er diese auch.
Eigenverantwortung zu leben: Auch das gehört als Hauptfach gelehrt.
Stichwort Vielfalt! Der ganzheitliche Aspekt, Krafttraining wie auch Ausdauer, muss ja auch bedacht werden. Was ist da ein gesundes Maß und was ist die richtige Balance?
Wir wissen heute aus der Forschung, dass Krafttraining und Ausdauertraining gleichermaßen wichtig sind für die Erhaltung unserer Gesundheit und Mobilität.
In unserem Feelgood Bewegungsstudio in Zell am See, welches wir vor knapp einem Jahr speziell für ältere Menschen, für Menschen mit besonderen Bedürfnissen und für Menschen, die sich von einer Krankheit oder Verletzung erholen wollen, eröffnet haben, sehen wir die Auswirkungen von regelmäßigem und gemäßigtem Mobilisierungs- und Krafttraining. Spazierengehen ist wichtig, beansprucht aber bei Weitem nicht all unsere so wichtigen Muskelgruppen. Muskeln, die wir nicht belasten, reduziert der Körper von selbst. Disbalancen und entsprechende Fehlhaltungen bis hin zu einem gefährlichen Sturzverhalten sind die Folge. Die gute Nachricht: Es ist nie zu spät, unsere Muskeln zu stärken. Wir haben im Feelgood Zell am See einen fleißigen 80-jährigen Übenden, dessen Frau sich bei uns mit einem Augenzwinkern beschwert hat, dass sie für ihren Mann aufgrund des Muskelzuwachses neue Hemden kaufen musste. Eines von vielen Beispielen, dass Üben hilft – unabhängig von Alter und Leistungsvermögen.
Eine Kombination aus Beweglichkeit, Koordination, Kraft und Ausdauer ist ein bekömmliches Rezept. Die Schönheit der vier Jahreszeiten mit ihrer breiten Palette bietet so viele Möglichkeiten, Bewegung mit Freude und Genuss zu erleben. Das E-Bike und die Wanderschuhe wieder gegen die unterschiedlichsten Wintersportgeräte zu tauschen, sollte in unserer Gegend eine lebenslange Vereinbarung mit uns selbst bleiben. Unserem Bewegungsapparat sind die Jahreszeiten egal, der möchte HEUTE bewegt, gefördert und gefordert werden.
Gemeinsam mit Roland Radacher (Physio Schüttdorf) und dem Norweger Trond Nystad habt ihr ja euer Herzensprojekt, das Feelgood Bewegungsstudio in Zell am See, umgesetzt. Kannst du uns etwas mehr darüber erzählen? Was ist das Konzept dahinter?
Bei diesem norwegischen Konzept handelt es sich um zwölf automatisierte Geräte des englischen Therapiegeräteherstellers Shapemaster, welches mich aufgrund der Niederschwelligkeit und der Effizienz von Anbeginn überzeugt hat. In knapp 40 Minuten können unsere Übenden vollkommen passiv oder je nach Möglichkeit mit Zutun ihrer eigenen Kraft ihren gesamten Köper mobilisieren und kräftigen. Die Geräte sind so konzipiert, dass sie einfaches, sicheres und effektives Üben ermöglichen. Jedes Mitglied bekommt bei uns eine individuelle Einschulung und kann dann sieben Tage die Woche von 06.00 bis 22.00 Uhr üben und sich dabei wohlfühlen! Genau dieses Wohlfühlen – ohne die Möglichkeit des Vergleichens – gewährleistet die Notwendigkeit der Kontinuität. Bei uns gilt die Devise: Komm, wie du bist!
Kann man auch zu viel Sport machen? Wann schlägt Bewegung in einen negativen Effekt um?
Das gesunde Maß bleibt das Maß aller Dinge. Übertraining und Überbelastung bekommen dann eine Einladung ausgesprochen, wenn uns der Sinn dahinter abhandenkommt. Den Balanceakt von Belastung und Erholung gilt es stets zu meistern. Als Sportler bin ich damit aufgewachsen, dass Entwicklung immer in der Pause entsteht. Das bedingt eine gute Qualität im Training und in der Regeneration. Vieles, was wir als Erholung und Regeneration verbuchen, tut das Gegenteil mit uns. Ich bin überzeugt: Überall dort, wo wir mit Freude und kindlicher Begeisterung dabei sind, sind wir auch entsprechend belastbar und uns der Notwendigkeit der qualitativen Erholung bewusst. Wenn sich der Körper mit Schmerz meldet, gilt es diesen anzunehmen und entsprechend zu handeln. Uns stattdessen zu betäuben, diesen zu ignorieren oder uns gar zu sabotieren ist in unserer Gesellschaft zwar erlernt, geht aber nie gut aus.
Mein Credo bleibt: Einfach dein Bestes geben.
Die Einfachheit vermittelt uns, unsere Aufgaben und Rollen auch meistern zu können, und gewährleistet stetiges Üben.
Würde ich mich selbst nochmals als kleiner Bub ermutigen wollen, würde ich wieder zu mir sagen: Bleib mutig, vertraue dir und übe weiter! Von klein auf war das mein Motto.
Wenn du dann Druck verspürst – in welcher Situation auch immer –, dann deswegen, weil du ihn dir verdient hast! Den Druck als etwas wahrzunehmen, was wir uns erarbeitet haben, lenkt die Aufmerksamkeit freudvoll auf das Wesentliche. Begeisterung ist eine Entscheidung, die wir treffen, Leiden auch.
Wie wichtig ist neben körperlicher die mentale Fitness? Was ist das richtige Mindset? Denn aus körperlicher und mentaler Fitness entsteht ja emotionale Fitness. Welche Techniken und Methoden kannst du empfehlen bzw. wendest du an?
Uns Menschen gibt es nur als Gesamtkunstwerk. Da hängt alles mit allem zusammen und ist alles mit allem verbunden.
Die gute Nachricht, egal um welchen Bereich wir uns kümmern: Alles, was wir tun, und alles, was wir weglassen, wirkt sich auf alle anderen Bereiche aus.
Mein Alltag steht auf vier essenziellen Säulen: Mindset, Bewegung, Ernährung und Regeneration mit einem guten Schlaf als Basis für alles. Wenn uns der Schlaf wegbricht, bricht das Gesamtkunstwerk zusammen. Erfolg ist das, was aus unseren Gedanken, Gefühlen und Handlungen erfolgt. Uns darum zu kümmern macht Sinn. Rituale und Lebensordnung unterstützen uns dabei. Du selbst, Christoph, bist das beste Beispiel dafür, dass unser Energielevel nicht von Glück, Pech und Zufall abhängt. Uns den Lebensfragen zu widmen und die Antworten zu leben bleibt unser Auftrag: Was erfüllt mich? Wer möchte ich sein? Was möchte ich wirklich tun? Die Fragen bleiben die gleichen. Die Antworten ändern und wandeln sich. Am Ende sind es immer Kleinigkeiten, die den großen Unterschied ausmachen.
Die Zeit hat das Bewegungsverhalten der Kinder, leider nicht wirklich zum Positiven, verändert. Wie kann man dem entgegenwirken? Was können Eltern oder Schulen unternehmen?
Vorbild durch Vorleben! Das ist ganz klar der Auftrag an uns selbst, und zwar im besten Fall durch das Nützliche und Nährende anstelle des Schädlichen und Hinderlichen. Als Eltern und Pädagog:innen ist es wohl unsere vorrangige Aufgabe, den natürlichen Bewegungsdrang der Kinder nicht zu verhindern. Am Beginn unterstützen wir unsere Kinder darin, gehen und sprechen zu lernen. Wenig später sollen sie dann still sitzen und ruhig sein, und wir drücken ihnen dafür auch noch ein Gerät zum Wischen in die Hand.
Meine Erfahrung als Papa ist: Raus in die Natur, denn das ist immer heilend für alle Beteiligten. Kleine Kinder können ja gar nirgends hingehen, sie laufen überall hin. Spielen ist deren Beruf. Sie dabei zu unterstützen und ja, uns dabei auch nicht als Erwachsene ständig einzumischen und zu maßregeln ist unser Auftrag und – zugegeben – bleibt eine große Herausforderung. Unseren Kleinsten vorzuleben, dass körperliche Bewegung normal ist, uns natürlich guttut und wir dabei Spaß und Freude haben, das ist doch eine schöne Aufgabe! Ich selbst bekam als Kind die Möglichkeit, viele Sportarten auszuprobieren. Das versuchen wir auch unseren Kindern zu ermöglichen.
Das Problem haben wir ja nicht nur bei den Kindern. Ich sag nur: „Gefahr Gorillahaltung – Sitzen ist das neue Rauchen“. Wie kann ich einfache Bewegungsabläufe in den Büroalltag integrieren?
EINFACH TUN. Bewegungspausen einlegen, Aktivierungsübungen machen, Besprechungen im Gehen oder Stehen durchführen, Treppensteigen, Strecken und Bücken, bewusstes Atmen und vieles mehr. Nichts davon kostet Geld. Vielmehr spart es Zeit, weil die Effektivität und das Outcome deutlich besser sind. Uns zu wundern, dass, wenn wir immer das Gleiche tun, immer mehr desselben rauskommt, halte ich für ungeschickt.
Der siebte Espresso ist auf Dauer nicht die Lösung, es benötigt Aktivierung auf anderen Ebenen. Meine Coachings mache ich ausschließlich im Gehen, mitsamt einer anschließenden Reflexion. Wenn wir uns bewegen, kommt etwas in Bewegung. Die Natur und das Wetter machen jede Bewegung zu einem unvergesslichen Erlebnis. Und wenn Argumente dagegen auftauchen, sich selbst einfach die Frage stellen: Sind das schon die Ausreden oder kommen die erst?
Stichwort Balanced Life – was bedeutet das für dich? Wie schaut ein ausgeglichener Tag im Leben von Felix Gottwald aus?
Unterschiedlich. Balance ist kein Zustand, sondern Work in Progress. „Workation“ (Kunstbegriff aus Work und Vacation) ist für mich die Devise. Arbeit ist auch Urlaub, und Urlaub ist auch Arbeit. Es ist völlig legitim, sich im Alltag kleine Urlaubspausen zu nehmen und im Urlaub mal zu arbeiten. Ich wäre sehr unglücklich, müsste ich meine Arbeitszeit von meiner Lebenszeit wegstreichen.
Meine Rituale haben sich mit den Kindern zeitlich verschoben. Was früher die Stunde nach dem Aufstehen war, ist jetzt die Zeit vorm Schlafengehen.
Meine Kreativität braucht Bewegung und Frischluft. Bewegung und Sport und Stille – all das ist für mich Erholung, Inspiration, Auspowern, Abwechslung und ganz wichtige Vor- und Nachbereitung für fast alles. Wenn ich von mir behaupten kann: Ja, ich liebe meinen Alltag, mit allem, was dazugehört, dann weiß ich, dass ich ganz gut am Balancieren bin.
Was kannst du unseren Kunden für einen bewegten Winter noch mitgeben?
Die beste Möglichkeit, sich auf den Winter vorzubereiten, ist immer HEUTE. Der Körper will bewegt werden, das Herz will pumpen, die Botenstoffe wollen tanzen. Bleibt in Bewegung, seit in Verbindung mit euch selbst und mit der Umgebung. Arbeitet mit den Jahreszeiten und habt Freude mit dieser Vielfalt, die uns geschenkt ist.
Neben der körperlichen und der mentalen Verfassung spielt natürlich auch die Ausrüstung eine entscheidende Rolle. Als Wintersportler habe ich oft erlebt, dass selbst eine Topform schlechtes Material nicht kompensieren kann. Aber wem sag ich das – und zum Glück gibt’s ja euch von Bründl Sports. 😉
Danke, Felix Gottwald, für dieses bewegende und inspirierende Gespräch!